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Kurz vor Ostern: Brütereibetreiber Lohmann sorgt sich ums deutsche Ei

Deutschlands größter Legehennen-Brütereibetreiber Lohmann Deutschland kritisiert die geplante Änderung des seit 2022 geltenden Gesetzes zum Verbot des Kükentötens. Ein Gesetz in dieser Schärfe sei einmalig in Europa.

Küken in einem Maststall.

Wenige Tage alte Küken stehen in einem Hähnchenmastbetrieb. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Seit dem 1. Januar 2022 ist das Töten von männlichen Eintagsküken in Deutschland verboten. Das Gesetz sieht zudem ab dem 1. Januar 2024 eigentlich eine Verschärfung vor, wonach Hühnerembryonen nur noch in den ersten sieben Tagen im Ei getötet werden dürfen. Jetzt plant Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir eine Lockerung. Die Geschlechtsbestimmung von Küken im Ei soll künftig bis zum 12. Bruttag möglich sein. Das hat das Ministerium am Dienstag bestätigt. Dies geht dem Legehennen-Brütereibetreiber Lohmann Deutschland - trotz Lockerung - zu weit.

Gesetzliche Regelung ab Januar 2024 nicht mehr haltbar

Im Bericht des Bundesministeriums an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft „über den Stand der Entwicklung von Verfahren und Methoden zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei vor dem siebten Bebrütungstag“ ist zu lesen, dass „Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Hühner-Ei vor dem siebten Bebrütungstag den Brütereien bis zum 1. Januar 2024 nicht zur Verfügung stehen“. Nach derzeitiger Rechtslage könne das Verbot des Kükentötens daher ab diesem Zeitpunkt nicht mehr mittels Geschlechtsbestimmung umgesetzt werden, und die Brütereien müssten auch die männlichen Hühnerembryonen ausbrüten und lebend vermarkten. „Vor dem siebten Bebrütungstag funktionierende Verfahren zur Geschlechtsbestimmung befinden sich in der Erforschung und Entwicklung. Ein Zeitpunkt für deren kommerzielle Anwendung ist jedoch nicht absehbar“, heißt es weiter.

Lohmann: Vorschlag schafft deutsche Insel in Europa

Deutschlands größter Legehennen-Brütereibetreiber Lohmann kritisiert die geplante Änderung. Die Politik von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir verhindere eine unter höchsten Tierschutzstandards in Europa gewährleistete Produktion und mache Deutschland zum Importland von Legehennenküken.

„Dieser neue Vorschlag des Bundeslandwirtschaftsministers schafft eine deutsche Insel in Europa“, sagt Tobias Ferling, Geschäftsführer bei Lohmann, die auch in Dorum eine Brüterei betreiben. „Wir haben das Verbot des Kükentötens seit dem 1. Januar 2022 konsequent umgesetzt. Als einziger Brütereibetreiber in Deutschland wenden wir fast alle unterschiedlichen Verfahren der Geschlechtsbestimmung an. Jetzt schlägt das Ministerium eine dauerhafte Lösung vor, die in dieser Schärfe nirgendwo in der EU zur Anwendung kommt.“ Die Versorgungssicherheit mit dem Grundnahrungsmittel Ei sei damit nicht mehr gewährleistet.

Studie soll Schmerzempfinden ab dem 13. Bebrütungstag belegen

Das Ministerium hatte eine Studie unter anderem bei der TU München in Auftrag gegeben, wonach im Ergebnis das Schmerzempfinden bei Hühnerembryonen nicht vor dem 13. Bebrütungstag einsetzt - und damit deutlich später als bislang angenommen. „Damit gibt es keine wissenschaftliche Grundlage, um das Tierschutzgesetz in seiner jetzigen Form zu belassen.“

Ferling fordert eine Lösung, vergleichbar mit Frankreich, bei denen die Geschlechtsbestimmung im gesamten zweiten Drittel der Brut erlaubt ist, also bis Tag 15. „Die Münchener Schmerzstudie bestätigt doch gerade, dass wenn überhaupt erst am Ende des zweiten Brutdrittels erste embryonale Reaktionen messbar sind. Daraus ein Schmerzempfinden nach dem Tag 12 abzuleiten, ist fragwürdig, da es internationalen wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht. Mit einem neuen Stichtag am 12. Bebrütungstag wird die Chance eines europäischen Standards vertan.“ Tierschützer gehen von einem Schmerzempfinden ab Tag 7 aus. Nach 21 Tagen schlüpft ein Küken.

Früher wurden jährlich 45 Millionen männliche Küken getötet

Das Töten der männlichen Küken ist seit Jahren in der Diskussion. Die Brüder der Legehennen haben zwei „Nachteile“. Sie eignen sich nicht für den Markt, weil sie keine Eier legen und für die Mast zu dünn sind. Früher wurden die männlichen Küken getötet, Schätzungen zufolge in Deutschland 45 Millionen im Jahr.

Lohmann Deutschland wendet seit Beginn des Jahres 2022 mehrere Verfahren der Geschlechtsbestimmung an und zieht zusätzlich Bruderhähne auf. Aufgrund der Gesetzesregelung sei die Zahl der Legehennenbrütereien in Deutschland von mehr als 20 auf sieben zurückgegangen, da zunehmend Hennenküken mit Kükentöten aus dem Ausland importiert werden.

Deutlich mehr Bruderhähne in der Aufzucht?

Sollte die neue Regelung in Kraft treten, habe das konkrete Auswirkungen auf alle aktuell in der Praxis angewandten Bestimmungstechnologien. Das optische Verfahren „Cheggy“ von AAT sei weltweit das einzige Verfahren, mit dem große Partien an einem einzigen Tag bestimmt werden können. „Wir wissen aus Versuchen, dass die Cheggy-Technologie auch am 12. Bebrütungstag in der Praxis angewandt werden kann, jedoch die Genauigkeit etwas abnimmt“, sagt AAT-Geschäftsführer Jörg Hurlin. „Daher wurde das Verfahren aus Tierschutzgründen bisher am 13. Tag verwendet. Sollte das Gesetz zukünftig den 12. Tag festlegen, müssten in der Konsequenz deutlich mehr Bruderhähne aufgezogen werden.

Christian Döscher

Teamchef Landkreis und Stadt Bremerhaven

Christian Döscher, Jahrgang 1967, leitet die Lokal-Redaktion der NORDSEE-ZEITUNG. Er ist seit 1997 bei der NZ. Vorher war der Köhlener vier Jahre als selbstständiger Marketing-Berater tätig. Studiert hat er in Hannover Wirtschaftswissenschaften. Seine Leidenschaft gilt dem Fußball.

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