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Autofrei? So grün und lebendig könnte Bremerhavens Kneipenmeile werden

Die „Alte Bürger“ soll laut Koalitionsvertrag autofrei werden. Wir haben da schon mal etwas vorbereitet: Unser Video lässt Autos verschwinden und Rasen wachsen. Laut einer Umfrage finden Anwohner diese Ideen gar nicht schlecht. Im Gegenteil.

Was wäre, wenn die „Alte Bürger so aussieht“? Wir haben ein Video-Experiment gestartet.

Was wäre, wenn die „Alte Bürger so aussieht“? Wir haben ein Video-Experiment gestartet. Foto: Hartmann/Gausmann/Schnibbe


Städte und Verkehr zu planen ist schwierig, weil sich viele Menschen nichts anderes vorstellen können als das, was sie kennen, sagen Experten. Nach der aktuellen Umfrage der Klimameile halten aber 95 Prozent der Anwohner der „Alten Bürger“ eine Verkehrsberuhigung für sinnvoll. Was wäre also, wenn die „Alte Bürger“ plötzlich für Autos gesperrt wäre? Die Nordsee-Zeitung hat ein Experiment gestartet.

„Wow, das ist so fantastisch, traumhaft. Das sage ich nicht nur als Quartiersmeister, sondern vor allem als Anwohner“, sagt Jens Rillke als er das Video sieht, das die Grafikerinnen der Nordsee-Zeitung, Charlene Schnibbe und Lena Gausmann, kreiert haben.

Basierend auf einer aktuellen Aufnahme mit Blick in die „Alten Bürger“ wurde mit moderner Videotechnik gezaubert: Autos, Schilder und Parkplätze fliegen davon, Stühle, Rollrasen und Blumenkübel erscheinen vor den Türen der Cafés und Kneipen. Fußgänger flanieren, Radfahrer fahren auf einem Radfahrstreifen. Um die Idee auch ohne Video zu verdeutlichen, haben die Grafikerinnen auch Vorher-Nachher-Bilder erstellt.

Die Idee für das Video basiert auf einem Modell aus dem schwedischen Malmö. Dort werden „Sommerstraßen“ eingerichtet, also Straßen, die im Sommer autofrei sind und deshalb zum Verweilen einladen. Und offenbar auch zum Einkaufen. Denn Leerstand gebe es in der Stadt nur da, wo Autos fahren, nicht aber dort, wo sie verschwinden, berichtet der gebürtige Niedersachse und Stadtplaner Malmös, Lars Böhme, im Interview.

Fragebogen an Anwohner

Das könnte eine Idee sein, die Vorbild für Bremerhavener Straßenzüge ist. Im Kneipenviertel ist man interessiert. Denn, dass Anwohner, Gewerbetreibenden und die Gäste bereit sind für eine Veränderung in der „Alten Bürger“, habe laut Jens Rillke schon die „Artspace“ 2021 gezeigt: „Wir haben dafür gemeinsam mit der Stadt die Straße gesperrt und die Besucher fanden es wunderbar, die Aufenthaltsqualität steigt,“, resümiert der Quartiersmeister.

Auch die Erweiterung der Gastronomie in der Pandemie zu Lasten von Parkflächen sei gut angekommen. Und mancher habe rückgemeldet, dass vorbeifahrende Autos ihn stören. Dank des Projekts „Klimameile“, das im Quartier momentan läuft, gibt es nun aber auch eine Datenbasis dazu.

Per Wurfsendung wurden 770 Haushalte – Anwohner und Gewerbetreibende – im Sommer angeschrieben und 183 haben den Fragebogen zu verschiedenen Themen ausgefüllt und zurückgeschickt. „Eine repräsentative Anzahl“, sagt Rillke.

Fast alle Befragten (95 Prozent) halte eine Verkehrsberuhigung für sinnvoll und können sich eine Fahrradstraße (43 Prozent) oder Tempo 30 (34 Prozent) vorstellen. 74 Prozent fänden es in Ordnung, Parkplätze temporär zu Gunsten der Gastronomie wegfallen zu lassen, nur 20 Prozent waren dagegen. Auch eine Straßensperrung an Wochenenden oder am Abend – Anlieger und Busse frei – fand mit 83 Prozent eine deutliche Mehrheit. Nur 13 Prozent waren dagegen.

Umfrage zu Mobilität in der Alte Bürger

Quelle: Klimameile „Alte Bürger“

Wunsch nach mehr Car-Sharing

Ob es genügend Parkplätze im Quartier gibt, daran scheiden sich die Geister: 46 Prozent sagten, es gebe genügend, 42 Prozent das Gegenteil. Ob ein Bus durch die Alte Bürger fahren muss, haben 20 Prozent offen gelassen, 34 Prozent ist das unwichtig und 46 Prozent wollen die Busline durch die Straße.

„Wenn man hier Parkplätze dauerhaft wegnehmen würde, wäre sicher einen Mobilitätshub sinnvoll“, überlegt Rillke. Unter diesem Begriff fassen Planer ein Parkhaus für Fahrräder und Autos inklusive Ladestationen für E-Mobilität und Plätze für jegliche Leihfahrzeuge.

Teile dieses Artikels sind erstmals am 13. Dezember 2021 erschienen.

Maike Wessolowski

Reporterin

Maike Wessolowski wurde in Remscheid geboren. Die ausgebildete Reiseverkehrskauffrau und Reporterin lebte und arbeitete in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen, bis sie 2018 in Bremerhaven festmachte. An der Region schätzt sie: Menschen, Maritimes, Möglichkeiten.

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