Dass ihr Seminar-Angebot auf eine so gute Resonanz treffen würde, damit hatte Julia Kahleyß gar nicht gerechnet: „Wir haben tatsächlich bereits 19 Anmeldungen. Zehn Plätze sind für das Seminar vorgesehen“, erzählt die Leiterin des Archivs. Mehr als zehn Studenten passen beim besten Wille nicht hinein in den Lesesaal. „Jetzt müssen wir doch einigen Studenten absagen.“ Vielleicht haben die beim nächsten Geschichtsseminar im Bremerhavener Stadtarchiv mehr Glück, denn wenn es nach Julia Kahleyß geht, soll es nicht bei dem einen bleiben: „Ich würde gerne regelmäßig Themen anbieten und damit Forschungsthemen in Bremerhaven aufgreifen und in die Breite bringen.“
Blick auf die Stadtgeschichte
Dass das Erforschen von Stadthistorie durch Studenten einige Vorteile für Bremerhaven birgt, liegt auf der Hand. Aber auch für die Studenten der Bremer Universität ergeben sich hier gute Perspektiven: „Es ist häufig so, dass Bremerhaven bei der Forschung für Studenten der Uni Bremen gar nicht so im Fokus ist. Aber hier gibt es eine Menge spannender Themen, die noch bearbeitet werden können und weniger Studenten, die da in Konkurrenz stehen“, erläutert die Historikerin die Hintergründe.
Die Lehre gehöre tatsächlich auch zu ihrem Aufgabengebiet als Leiterin des Stadtarchives. Gute Erfahrungen mit diesem Bereich habe sie bereits an der Uni in Leipzig gesammelt, wo sie während ihrer Dissertationszeit als Mitarbeiterin Seminare für Studenten gegeben hat. „In der Zeit sind viele gute Kontakte entstanden.“
Hinzu komme, dass es einen großen Bedarf an Seminarplätzen für Studenten gebe. Diejenigen, die jetzt am 31. Mai im Stadtarchiv starten, werden sich mit dem Thema „Spuren des Kolonialismus und von widerständiger Geschichte in Bremerhaven“ befassen. Und zwar in vielerlei Hinsicht: „Die Geschichte des Kolonialismus ist ein noch relativ neues Forschungsgebiet und in der Bremerhavener Geschichtsforschung gerade erst angekommen“, so Julia Kahleyß. Es gebe noch viel Neues zu entdecken. In den Übungen sollen erste Ergebnisse und Initiativen aus Bremerhaven und Bremen vorgestellt werden. „Es werden aktuelle Forschungsansätze erläutert, und die Studenten sollen mit anderen Forschenden zusammenkommen.“ So wird es unter anderem einen digitalen Stadtrundgang zum Thema Kolonialismus geben, und Dr. Tobias Goebel vom Schifffahrtsmuseum wird vor den Studenten über Kolonialismus und den Norddeutschen Lloyd sprechen.
Werkzeuge der Forschung
Und weil das Seminar trotz aller thematischer Tiefe ein praxisorientiertes sein soll, wird es „natürlich auch um Methoden und Werkzeuge der Forschung gehen“. Dazu zählt – so Julia Kahleyß – neben dem Recherche-Vorgehen auch die Bearbeitung von Themen. Damit Quellen richtig beurteilt werden können, steht für die Studenten der Bereich „Lesekenntnisse erwerben“ auf dem Stundenplan. Die beste Quelle nütze nämlich nichts, wenn man ihren Inhalt nicht entschlüsseln könne, weil er vielleicht in Sütterlin verfasst sei. Das Seminar endet mit einer Prüfung, die die Teilnehmer sodann bei Julia Kahleyß ablegen können.