Cuxland

Cuxländer wollen Lebensmittelmarkt revolutionieren - das ist daraus geworden

Eine nachhaltige Regionalmarke für Produkte aus der Region und Kunden in der Region - mit diesem Anspruch sind die Erfinder von „Naturküste“ vor gut anderthalb Jahren gestartet. Jetzt ist das Konzept nicht mehr das, was es mal war.

Naturküste Hjördis Plate Otterndorf

Der Markenname und der Lieferwagen stammen noch aus Zeiten der Regionalmarke Naturküste. Mittlerweile betreibt Obstbäuerin und Galloway-Züchterin Hjördis Plate den Onlinehandel mit ihrem Mann Henning allein. Foto: Leuschner

Hjördis Plate lädt eine Kiste voller Obst in ihren Transporter. „Einfach lokal online einkaufen“, steht in grünen Lettern auf dem weißen Lack. Und darunter die Online-Plattform: naturkueste.de. „Wir sind happy, dass wir die Plattform mit diesen Markennamen haben und betreiben können“, sagt die Landwirtin aus Otterndorf. „Wir sind ganz zufrieden.“ Gleichzeitig bedauert sie, dass der ursprüngliche ambitionierte Ansatz der Online-Plattform mittlerweile Geschichte ist.

Idee der eigenen Regionalmarke am Lagerfeuer geboren

Es war im Frühjahr 2020, als Galloway-Züchterin Plate gemeinsam mit Bioobst-Bäuerin Johanna Schaeper, Unternehmerin Elke Freimuth, Juristin Mareike Krug und dem Regionalmanager und Förster Harald Müller am Lagerfeuer saß und dort den Grundstein für die Regionalmarke „Naturküste“ legte. Das ehrgeizige Ziel der Gruppe: Eine artenreiche und vielseitige Region, die Landwirten ein faires Einkommen sichert, einen strukturreichen Einzelhandel zu bieten hat, das Klima schützt, innovativ und attraktiv für Touristen sowie die Menschen in der Region ist.

Galloways Otterndorf Hjördis Plate

Im vergangenen Jahr haben sich Hjördis und Henning Plate zur eigenen Galloway-Zucht noch einen Obsthof gekauft. Für die Fleischrinder sind die Äpfel und Birnen ein Lockmittel und eine knackige Leckerei. Foto: Heike Leuschner

Online-Umfrage gibt er Start-up-Idee Auftrieb

Die Gruppe initiiert eine Online-Umfrage. Sie will herausfinden, ob sie mit ihrem Ansatz richtig liegt. Innerhalb kurzer Zeit hätten rund 650 Teilnehmer die Fragen beantwortet, berichten sie. Die Ergebnisse hätten gezeigt, dass viele Teilnehmer ihren Fokus auf Natur gelegt haben - potenzielle Kunden genauso wie Landwirte, Produzenten, Gastronomen, Landfrauen und Touristiker.

Es folgen intensive Vorbereitungen. Im Oktober 2021 gehen die Gründer mit ihrem Onlineportal naturkueste.de schließlich an den Start. Wenig später stellen die Gesellschafter ihr System noch einmal um. Holten sie anfangs die Ware exakt nach den Kundenbestellungen von jedem Erzeuger ab, kaufen sie diese später selbst, lassen sie liefern und lagern sie ein. Vor allem, um Kosten zu sparen. Um weitere Kunden anzusprechen, lassen sie ihren Regionalhandel zusätzlich biozertifizieren und weiten die Produktpalette aus.

Probleme mit der IT, dazu hohe Energiekosten

Doch im Hintergrund bleiben Sorgen - vor allem mit der IT. Hinzu kommen hohe Energiekosten und Inflation. Obwohl das Unternehmen eine Reihe Großkunden habe gewinnen können, sei es wirtschaftlich im Herbst 2022 noch lange nicht dort gewesen, wo es hinwollte. „Die Kunden haben aufs Geld geachtet und gespart“, berichtet Plate, die bis Ende 2022 die Geschäfte des regionalen Onlinehandels gemeinsam mit Johanna Schaeper geführt hat. Nebenberuflich.

Schaeper ist Obstbäuerin und bewirtschaftet 40 Hektar Land nach Demeter- und Bioland-Kriterien in Geversdorf. Die Arbeitsbelastung als Mit-Geschäftsführerin für naturkueste.de sei immer mehr gewachsen und habe sich zunehmend vom Abend auf den Tag verschoben. „Wir haben super auf Augenhöhe zusammengearbeitet“, resümiert Schaeper, „aber Naturküste hat immer mehr Zeit gefressen“. Irgendwann sei der Job dort kaum mehr mit ihrem Beruf und ihrem Leben mit ihren beiden Kindern (7 und 10) vereinbar gewesen.

Plate erweitert Galloway-Zucht um Obstbaubetrieb

Co-Geschäftsführerin Hjördis Plate betreibt zusammen mit ihrem Mann eine Galloway-Rinderzucht am Rand von Otterndorf. Rund 200 Tiere umfasst die Herde. Das Fleisch vermarktet das Ehepaar von Anfang an selbst.

Im vergangenen Frühjahr erweitert das Landwirtspaar seine Galloway-Zucht um einen benachbarten Betrieb. Einen 20 Hektar großen Obsthof mit rund 50.000 Apfel-, Birnen und Zwetschen-Bäumen sowie großen Lager- und Kühlflächen.

Die Plates überlegen, unter welchem Namen sie das Obst des eigenen Hofes künftig vermarkten sollte. Die eigene Marke „Plate - Galloway“ hätte sich dafür nicht geeignet. „Das hätte bedeutet, dass auf jeder Apfelsaftflasche ein Kuhkopf gewesen wäre“, sagt Plate. „Das passt nicht zusammen.“

Die Unternehmerin liebäugelt mit dem Markennamen Naturküste. Doch der regionale Onlinehandel naturkueste.de läuft zu dieser Zeit noch parallel, auch wenn es längst Synergien gibt: So sieht eine Vereinbarung mit „Naturküste“ vor, dass Lagerflächen des Obstbaubetriebs der Plates von der regionalen Vermarktungsplattform mitgenutzt werden dürfen. Es sei darum gegangen, Kosten zu sparen, erklärt Plate. „Naturküste war quasi unser Kunde.“

Gesellschafter verkaufen Onlinehandel an Geschäftsführerin

Im Dezember vergangenen Jahres beschließen die Gesellschafter, den regionalen Onlinehandel samt Markennamen Naturküste an die Plates zu verkaufen. „Wir hatten für unser gemeinsames Start-up eine denkbar ungünstige Zeit erwischt“, rekapituliert Plate mit Blick auf Energiekrise und Inflation. Wäre die Regionalmarke 2020 - zu Beginn der Corona-Pandemie bereits startklar gewesen, hätte das junge Unternehmen im Krisenjahr 2022 vielleicht schon einen größeren treuen Kundenstamm hinter sich gehabt.

Nach dem Verkauf geht die Regionalmarke naturkueste.de in eine zweimonatige Betriebspause. Die Plates übernehmen nicht nur den Markennamen, sondern auch das Onlinehandelskonzept, die Lieferwagen und das halbe Dutzend Mitarbeiter, das für das Packen und Ausliefern der Einkäufe eingestellt worden war. Seit Februar ist die Regionalmarke wieder online - jetzt unter der Regie von Hjördis Plate.

Hauptaugenmerk von naturkueste.de jetzt auf eigenen Produkten

Das Hauptaugenmerk liegt nun auf den eigenen Produkten des landwirtschaftlichen Hofes der Plates - Obst und Fleisch. Aber nicht nur: Gemüse, Molkereiprodukte sowie Wurst und Fleisch in Bioqualität gibt es nach wie vor. Auch Gin, den die frühere Mit-Geschäftsführerin Johanna Schaeper brennen lässt. Ihr Obst vermarktet die Geversdorferin allerdings - aus Konkurrenzgründen - nicht mehr über Naturküste.

Bilanz nach 100 Tagen: Es läuft ganz gut

Um den Onlinehandel auch ohne Mitgesellschafter weiter betreiben zu können, hat Hjördis Plate die Produktpalette von 1000 auf 500 geschrumpft. Ihre Bilanz nach den ersten 100 Tagen als Alleinverantwortliche: „Es läuft ganz gut. Es gibt viele Synergieeffekte zu unserem Betrieb mit Naturküste, die wir jetzt nutzen können.“ So können die Plates nun auch das Fleisch ihrer Rinder über den Onlinehandel vermarkten. Bislang mussten die Kunden das Fleisch vom Hof abholen.

Sind es jetzt die Plates, die Firmen mit Obstkisten für ihre Mitarbeiter beliefern. Rund 50 Betriebe und öffentliche Einrichtungen stehen in der Kundenkartei und fast genauso viele Privatkunden, berichtet Inhaberin Plate. Sie überlegt, die bisherigen Auslieferungstage - Mittwoch und Freitag - um einen weiteren zu ergänzen.

Auch wenn die Regionalmarke in ihrer Ursprungsidee vorerst gescheitert ist, sind Plate und Schaeper überzeugt, dass es richtig war, es zu versuchen. Mehr noch: „Wir haben bis zuletzt alle Vollgas gegeben“, sagt Plate, „ich kann mir nach wie vor vorstellen, etwas zusammen auf die Beine zu stellen.“

Heike Leuschner

Reporterin

Heike Leuschner hat sich nach einem Jura-Studium für die journalistische Laufbahn entschieden. Seit 2010 ist sie als Redakteurin in der Lokalredaktion der NORDSEE-ZEITUNG beschäftigt. Privat sieht man sie oft mit Kamera – oder gar nicht. Dann ist sie auf Reisen.

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